Die Sache mit Gott - glauben wir (noch)?
Und wenn ja, woran? Wie ist das mit dem Schicksal und Gott? Ewiges Leben, Reinkarnation, Auferstehung, Licht und Liebe? Erleben wir den Tod, leben wir „anders“, werden wir wiedergeboren, ist alles zu Ende? Religion, Wissenschaft und Philosophie suchen seit jeher Antworten auf diese Fragen und die damit verbundenen Konsequenzen für das irdische Leben. Darum glauben wir – andere glauben deshalb anders – wieder andere glauben deshalb auch nicht. Kann man glauben, wenn sein Kind gestorben ist? Ich kann es.
Hinduismus, Buddhismus, Christentum, Islam und Judentum – das Leid ist Teil des Lebens und von ihnen allen. Die Krankheit eines geliebten Menschen, den Tod eines Kindes oder persönliche Schicksalsschläge müssen wir immer wieder hinnehmen. Wir haben keine Wahl und haben auch nicht die Macht, das Schicksal positiv zu beeinflussen. Wenn man das Leid nicht verursacht hat und auch nichts dagegen ausrichten kann, was können wir dann für Rückschlüsse ziehen? Vergebens kann doch nicht alles sein.
Nehmen wir uns den Tod vor, das Maximum an Leid: in der heutigen Gesellschaft ein Tabu-Thema. Jeder ist überfordert, wenn ein Bekannter, ein Freund, ein Verwandter oder gar ein Kind verstirbt. Warum ist das so? Wir glauben doch an etwas, oder? Warum fällt uns dann kein tröstendes Wort ein? Vielleicht haben wir auch Angst. Angst mit dem Tod in Berührung zu kommen? Vielleicht glauben wir, in dem wir davon reden, gar auf den Friedhof gehen, dass wir ihm ein bisschen näher kommen? Vielleicht rührt aber auch die Sprachlosigkeit ganz einfach daher, dass wir keine Worte für den Tod haben. Alle Worte, die wir als Kinder gelernt habensind mit gewissen Erfahrungen verbunden, die wir gemacht haben. Der Tod ist aber ganz und gar erfahrungsleer. Begegnen wir ihm sind wir schier sprachlos.
Im Buddhismus und Hinduismus ist der Tod nichts anderes als der Verfall des Körpers, die Seele aber lebt weiter und wird wiedergeboren. Im Judentum, Islam und Christentum glaubt man ebenso an das Ende des irdischen Körpers, aber an ein ewiges Leben bei Gott. Der Tod ist unausweichlicher Bestandteil des Lebens also, des ewigen oder des ewig neuen Lebens, je nachdem woran man glaubt.
Das Problem ist aber Glaube heutzutage. Glauben wir noch an Inhalte der Religionen oder sind sie längst zu gesellschaftlichen Konventionen geworden? Welchen Gesetzmäßigkeiten folgt der Glaube heute noch, wo Wissenschaft, Medizin und Physik die Grenzen des Seins erforschen und Religion und Philosophie in Frage stellen? Ist Glaube nur etwas für Grenzerfahrungen oder auch für den Alltag? Womit verbinden wir Glauben? Mit der Kirche, mit einer Erfahrung, mit einer Konvention? Und hebt sich nicht aller Glaube heutzutage durch Wissenschaft und Rationalität auf? Menschen im 21. Jahrhundert wollen vielleicht nicht mehr glauben. Vielleicht ist das Leben auch einfacher, wenn man denkt, dass mit dem Tod auch wirklich alles zu Ende sei? Aber wozu dann Glauben?
Wenn mit dem Tod alles vorbei wäre, dann hätten wir keine Verantwortung mehr. Wir lebten im Hier und Jetzt und könnten tun und lassen, was wir wollen. Unsere Ahnen vergessen, nicht an die Zukunft der Welt denken, Werten hinterher eifern, die nur hier und jetzt von Bedeutung sind. Fast befreiend, oder?
Wenige Menschen sind es, die den Tod ertragen, die Menschen, denen der Tod begegnet ist, deren Partner oder Kind gestorben ist, aushalten und Halt geben. Mit Religion beginnen sie aber alle nicht, um Trost zu stiften. Einzig die Seelsorger im Krankenhaus, unmittelbar nach und um ein Todesereignis herum, sprechen von Gott und seiner Liebe. Zu früh vielleicht für den ein oder anderen, der den Weg zurück zum Glauben erst nach einer Weile gehen kann. Zu groß sind die ersten Fragen: warum lässt Gott es zu?
Und doch ist es der Glaube und die Erfahrung des Todes im unmittelbaren Umfeld, die Menschen zum Glauben bekehrt. Keine Kirche, kein Unterricht, keine Konvention, sondern Erfahrungen. Der Glaube an Gott ist eine Erfahrung, eine Begegnung auf eine wundersame Art und Weise. Denn wo zeigt sich Gottes Liebe mehr als im Tod?
Paradox? Nein, nicht wirklich. Nur im Tod begegnen wir seiner Liebe, seiner Kraft in einer Intensität, die uns spüren lässt, dass er bei uns ist, wir nicht alleine sind, unsere Verstorbenen wohl behütet sind. In dem Tod seines Sohnes erfuhren die Menschen laut christlicher Lehre Gottes Liebe und erlebten die Auferstehung und die Gewissheit für das ewige Leben.
Ich glaube nicht, dass jeder Mensch diesen Glauben finden kann. Es ist eine Glaubenserfahrung, die man zulassen muss, sich nahezu erarbeitet. Denn Trauer ist Arbeit. Man muss hinterfragen, beobachten, analysieren und denken, um zu begreifen, dass Gott allgegenwärtig, aber nicht allverantwortlich ist.