Kinderbuch 1 - Die Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren

Unsere Kinder lieben Bücher und deshalb halte ich immer wieder Ausschau nach interessanten Bild- und Sachbüchern. Vor dem Hintergrund des Todes unseres ersten Kindes ist es für mich immer wieder eine zentrale Frage: welche Bücher erklären kindgerecht, was der Tod bedeutet? Ein Buch, das ich noch aus eigenen Kindheitstagen bruchstückhaft in Erinnerung hatte, ist der von Astrid Lindgren stammende Roman “Die Brüder Löwenherz” (Oetinger Verlag, €14,90). Die Autorin thematisierte mit diesem Buch 1973 erstmals den Umgang mit dem Tod in der Kinder- und Jugendliteratur.

Der Abenteuerroman richtet sich an Kinder im Grundschulalter und beschreibt die Geschichte zweier Brüder, die einander in den Tod begleiten. Die Geschichte offeriert eine Perspektive für ein Leben nach dem Tod, im sogenannten Paradies “ Nangijala”.

Die beiden Brüder Jonathan und Karl treffen sich nach ihrer beider Tod in diesem geheimnisvollen Land wieder. Dort sind alle Menschen gesund und leben friedlich miteinander. Doch leider gibt es auch einen bösen Tyrannen, der sie erneut zu einem Übergang in ein weiteres Paradies Leben zwingt. Soweit, so kurz die Storyline.

Manche Vorstellungen und gedankliche Bilder sind wunderbar und kindgerecht beschrieben und können vielleicht auch bei der Begleitung eines sterbenden Kindes eine schöne Perspektive bieten.

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Das Bild von der weißen Taube

Die Mutter der beiden Jungen sang abends oft in ihrem Kämmerchen ein Lied, in dem sie ihrem verstorbenen Mann gedachte, der vermutlich als Seefahrer starb:

“Liebste, fall ich zum Raube dem wilden Meer, fliegt eine weiße Taube zu dir hierher. Lass sie, o Liebste, zum Fenster hinein! Mit ihr wird meine Seele dann bei dir sein.”

Nachdem der ältere Bruder so plötzlich gestorben war, klopfte eine weiße Taube immer wieder an das Fenster des kleinen Bruders.

Ich finde dieses Bild so besonders schön, weil sie die Symbolik der Natur und der Tiere aufgreift. Etwas, das wir selber erleben und auch andere verwaiste Eltern mit uns teilen. Für verwaiste Geschwister finde ich dieses Bild sehr tröstend. Denn sie erleben durch diese Vorstellung die Verbindung von Leben und Tod in der Natur. Und welches Kind hält nicht gerne Ausschau nach Vögeln?

Der Brief der Lehrerin

Kurz nachdem der ältere Bruder verunglückte war, erhielten die Mutter und der kleine Bruder einen liebevollen Brief der Klassenlehrerin. Über einen Satz bin ich beim Lesen gestolpert. Einem Satz, dem ich als verwaiste Mutter schon oft begegnet bin und in dem für mich ein Stückchen Wahrheit liegt:

“Aber wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben.”

Diese Aussage ist für Eltern, die einen Verlust erlitten haben, sicherlich zunächst absurd und doch irgendwie tröstend. Denn eine Frage, die man sich stellt ist das quälende warum und der in der westlichen Welt oft verankerte Gedanke, dass Tod Bestrafung bedeutet. In Asien hingegen bedeutet der Tod auch Befreiung und Belohnung. Bei unserem Sohn passt dieser Satz sehr gut. Er war ein Sonnenschein - immer und ausnahmslos. Und das rede ich mir nicht im Nachhinein ein, sondern schon zu Lebzeiten sagten wir das und viele um ihn herum. Die Götter haben ihn genommen und das Universum ist jetzt um unendlich viel Sonnenschein und Liebe reicher.

Meiner Tochter würde ich diesen Satz gegenüber aber dennoch nicht erwähnen. Pädagogisch finde ich es grenzwertig ein solches Bild den Geschwistern eines verstorbenen Kindes mitzuteilen. Denn im Umkehr Schluss wäre das Fazit: alle Kinder, die hier leben, sind nicht geliebt. Für ein Kind, das im Sterben liegt, finde ich dieses Bild wiederum sehr schön.

Der Paradieszyklus

In dem Buch werden verschiedene Abenteuer beschrieben, die die beiden Brüder nach ihrem Tod gemeinsam erleben. Dabei handelt es sich quasi um einen Zyklus aus Leben und Sterben. Denn auch im vermeintlichen Paradies, in das beide unmittelbar nach ihrem Tod gelangen, wartet ein erneuter Tod, dem sie nur durch einen Sprung ins nächste Leben entgehen können.

Dieses Bild des ‘Springens’ finde ich etwas bedenklich. Es hat einen suizidären Beigeschmack.

Fazit

Obwohl sich das Buch wunderbar lesen lässt und in kindgerechter Sprache verfasst ist, bin ich der Meinung, dass der in dem Buch gelehrte Umgang mit dem Tod eines Kindes für ein Geschwisterkind nicht geeignet ist. Ich finde es aber geeignet für die Begleitung eines sterbenden Kindes sowie auch für verwaiste Eltern.

Interessant ist, dass Astrid Lindgren für das Buch viel Kritik aus dem Erwachsenenkreis bekommen hat. Jedoch fanden viele Kinder das Buch toll und auch tröstend. Und auch ich erinnere mich gut an das Gefühl, das mir der Roman damals vermittelt hat. Ich habe es als Kind sehr gerne gelesen, fand es traurig, aber zugleich berührend. Jetzt aus Muttersicht bin ich zwiegespalten. Vielleicht unterschätze ich auch noch, wie stark Kinder doch schon im Grundschulalter Realität und Fiktion auseinander halten können. In jedem Fall empfehle ich Euch Euch selbst ein Bild zu machen. Vielleicht ist es sogar ein besonders geeignetes Buch für Kinder, denen der Tod nicht unmittelbar im Familienkreis, d.h. bei einem Geschwisterchen, begegnet ist. Denn sie haben mehr Abstand und man muss sich weniger um die oben genannten psychologischen Auswirkungen Gedanken machen.

Ich fände es spannend zu hören, was eure Meinung ist!


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