Trauerarbeit kann auch Arbeit am inneren Kind bedeuten
Trauer begreife ich inzwischen als einen Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Glaubenssätzen, seinem Weltbild, seinem Umfeld - einfach allem. Man hat das Gefühl, das alles umgekrempelt und neu sortiert und geordnet wird. Manches behält seinen Platz, anderes wird neu platziert, anderes kommt weg. Ein Konzept, das ich bei diesem Erkenntnisprozess besonders hilfreich fand, war das sogenannte “innere Kind”.
Bevor ich konkret erkläre, was es mit dem inneren Kind auf sich hat, möchte ich kurz zur Vollständigkeit halber sagen, dass das innere Kind ein Persönlichkeitsanteil in uns ist. Jeder von uns hat viele verschiedene innere Anteile die wir im Laufe unseres Lebens entwickelt haben. Es gibt da beispielsweise noch:
den Kritiker,
den Beobachter,
Die Mutige/Starke
“Die weise Frau“ oder „den weise Mann“
hilfreiche Wesen
Es gibt wie gesagt noch viele andere Anteile die wir besitzen. Je nach unseren Erfahrungen und unseren Möglichkeiten wie wir auf die unterschiedlichen Situationen reagieren konnten. So wie wir auch gelernt haben damit umzugehen.
Nun möchte ich dich gerne etwas fragen.
Welche Gefühle kennst du in deiner Trauer?
Traurigkeit
Verletztheit
Wut
Schuld
Mutlosigkeit
Ohnmacht ……
Diese ganzen Gefühle erleben wir und können sie zumindest einmal einordnen, weil wir sie schon einmal in unserem Leben kennen gelernt haben. Irgendwann in unserer Kindheit. Wir mussten lernen damit umzugehen. Nun stellt sich die Frage ob wir gelernt haben damit auch immer angemessen umzugehen? Wie war das damals für dich? Hat dir jemand Trost gespendet? Oder bist du mit all deinen Gefühlen allein gelassen worden? Was hättest du dir damals vielleicht gewünscht? Versetz dich einmal in dein kleines inneres Kind und frage es, was es gebraucht hätte. Schreibe Dir deine Wünsche vielleicht einmal auf. Lese sie noch einmal durch und spüre einmal nach, ob es genau die Dinge sind, die dir jetzt auch gut tun würden?
Und schon sind wir mitten drin in der inneren Kind Arbeit.
Spüren wir in uns, so merken wir schnell, dass es das innere Kind auch mit ganz vielen verschiedenen Gefühlen gibt. Es gibt das ärgerliche, verletzte, traurige, fröhliche, unbeschwerte Kind.
Jeder von uns reagiert unterschiedlich und individuell auf Erlebnisse und Situationen denen wir ausgesetzt sind. D.h. sind wir als Kind in unserer Trauer aufgefangen worden, ernst genommen, liebevoll versorgt worden, so können wir das auch im Erwachsenenalter für uns selbst tun. Wir sorgen uns liebevoll um uns, wissen was wir brauchen und achten darauf, dass wir das bekommen und geben uns die Möglichkeit so zu heilen. Wir haben als Kind Möglichkeiten erfahren und können heute darauf zurückgreifen.
Ist das nicht der Fall gewesen, waren wir auf uns allein gestellt, durften wir keine Gefühle zeigen, wurden vielleicht ausgelacht oder beschimpft oder gar gehänselt. So kann es sein, dass wir ganz automatisch um seelisch zu überleben, unsere Gefühle ausgeschalten haben. Es war zu gefährlich Gefühle zu fühlen. Oder wir haben es allen Recht machen wollen um uns nicht mit uns selbst auseinander zu setzen.
Wie auch immer wir reagiert haben – es hat uns geprägt.
Aus diesem Grund macht es Sinn sich auch mit seinem inneren Kind zu verbinden und auseinander zu setzen. Die Wunden und Verletzungen sitzen tief und werden durch die erneute Trauer bedient. Wir reagieren dann so, wie wir es in unserer Kindheit gelernt und erfahren haben.
Die Verarbeitung des ersten und akuten Schmerzes (also noch vor der inneren Kind Arbeit) ist meiner Meinung nach der Beginn der Trauerarbeit. Hier geht es vor allen Dingen darum wieder den eigenen Boden zu spüren, Halt, Stabilität und Sicherheit wieder zu bekommen, die Möglichkeit Kraft zu schöpfen um die starken Gefühle von Trauer, Hoffnungslosigkeit, Verloren sein, Schmerz und Wut aushalten zu können.
Wenn ich an meinen eigenen Trauerweg zurück denke (ich rede nicht von der akuten Trauerphase, sondern der Zeit danach), hatte ich ganz oft das Gefühl mein inneres Kind verloren zu haben. Ich hab mein Lachen vermisst, meinen Humor, meine Fähigkeit im Hier und Jetzt zu leben. Das was gefühlt MICH ausmachte, war auf weg. Ich wollte Mich wieder haben.
Ich fing also an, wieder ganz bewusst nach Innen zu schauen. Du kannst dich ja auch mal fragen:
Was braucht mein inneres Kind und somit ich als Erwachsene um zu heilen?
Wie kann ich mir liebevoll und fürsorglich begegnen?
Die Arbeit am Inneren Kind ist intensiv und kann mitunter auch schmerzhaft sein. Nicht immer hat man dafür die Kraft. Insbesondere wenn man sich ohnehin durch die Trauer erschöpft fühlt. Andererseits verschafft die Auseinandersetzung auch ein neues Bewusstsein für sich selbst und hilft die eigenen Verhaltensmuster besser zu durchschauen und Strategien zu entwickeln, die helfen auszuhalten und zu heilen. Die Arbeit am Inneren Kind und die Analyse des Familien- und Beziehungssystems sind häufiger Bestandteil meiner Trauerbegleitungen.